Wie in allen National Parks ist es auch bei den Everglades eigentlich sträflich, sie nur oberflächlich bei der Vorbeifahrt mitzunehmen. Aber manchmal ist der US-Urlaub eben einfach zu kurz und es bleibt nur Zeit, die unfassbare Natur erst mal nur anzutesten. Bei unserem Florida-Trip Ende März mussten wir genau das tun und haben trotzdem einen höchst abwechslungsreichen Tag im tropischen Feuchtgebiet im Süden Floridas erlebt, den wir so durchaus weiterempfehlen würden.
Als die Everglades bezeichnet man das gesamte Sumpfgebiet zwischen dem Lake Okeechobee im mittleren Florida und der äußersten Südspitze der Halbinsel. Tatsächlich verbirgt sich hinter dem berühmten Namen ein sogenannter Grasfluss. Dieser ist als solcher kaum zu erkennen, da man selten ein offenes Fließgewässer zu Gesicht bekommt. Tatsächlich handelt es sich aber um einen bis zu 60 Kilometer breiten Fluss, der oft nur wenige Zentimeter tief ist und auf der gesamten Fläche mit Gras bewachsen ist. Zudem fließt er mit einem Meter pro Stunde (!) nur extrem langsam.
Der eigentliche National Park deckt mit seinen 5667 Quadratkilometern lediglich 20 Prozent der ursprünglichen Feuchtgebiete ab, die durch aggressiv vorpreschende und wasserintensive Landwirtschaft, sowie die immer weiter in die empfindliche Natur wachsenden Wohngebiete des Großraum Miamis immer stärker bedroht werden.
Unsere Tipps beschränken sich auch nicht nur auf den National Park, sondern auch auf zwei weitere Spots im Großraum Miami. Ein Mietwagen ist in dem Fall natürlich extrem sinnvoll.
First Stop: Everglades National Park, Anhinga Trail
Eintritt pro Auto: 30 Dollar
National Park Annual Pass: 80 Dollar (kostenloser Zutritt zu allen National Parks und National Monuments in den USA)
Ein Problem, wenn man in den Everglades wenig Zeit hat, sind wie so oft in den USA die enormen Entfernungen. Vom Visitor Center direkt am Parkeingang des Everglades National Park bis zum südlichesten Punkt, dem Flamingo Visitor Center, sind es rund 40 Meilen und den gleichen Weg muss man auch nochmal zurück. Mit den Tempo-Limits im Park sind da schnell mal drei Stunden reine Fahrtzeit verstrichen.
Wir hatten uns daher entschieden, den National Park nur mit einem relativ kurzen Hike nahe des Parkeingangs zu beehren, der immer wieder empfohlen wird: der Anhinga Trail. Rund zwei Kilometer hinter dem Parkeingang biegt die entsprechende Zufahrtsstraße ab und führt zum kleinen Royal Palm Visitor Center an einem großzügigen Parkplatz.
Hier sollte man nicht sich nicht nur um Sonnen- und Mückenschutz kümmern, sondern auch einen Blick auf die anderen Autos haben. Wenn gleich mehrere Fahrzeuge große Stoffplanen über ihre Windschutzscheiben gezogen haben, solltet ihr euch diesbzgl. im angrenzenden Visitor Center erkundigen. Die lokalen Geier stehen nämlich tierisch auf Gummi-Dichtungen, wie sie garantiert auch euer Mietwagen rund um die Windschutzscheibe herum hat. Und Vorsicht ist ja bekanntlich besser als Nachsicht! Wir hatten Ende März allerdings keinerlei Probleme mit den knabberwütigen Aas-Fressern.
Von dort startet der Anhinga Trail an einem dicht bewachsenen See ins Sumpf-Paradies. Eigentlich ist der Roundtrip lediglich 0,8 Meilen (1,2 Kilometer) lang, aber wir haben schon am ersten See eine halbe Ewigkeit verbracht, da dort unser erster Alligator überhaupt mitten im Gewässer thronte. So geht es wohl jedem Florida-Neuling….hätten wir im Urlaub jedem Alligator, den wir sehen würden, so viel Aufmerksamkeit gewidmet…wir wären vermutlich immer noch im Sonnenstaat 😉
Ihr ahnt schon, worauf wir hinauswollen? Die Wildlife-Erfahrung in Florida haute uns von der ersten Minute an um. Sich durch diese unwirkliche Wildnis zu bewegen und sie wie selbstverständlich mit diesen Tieren, die man in Deutschland eben nur aus dem Zoo kennt, zu teilen ist kaum in Worte zu fassen.
Besonders faszinierend neben den undurchsichtigen Echsen: der Namenspate des Trails, der Anhinga, auf deutsch Amerikanischer Schlangenhalsvogel genannt. Er ist überall entlang des Trails unterwegs und führt ein wahrlich anstrengendes Leben. Seine Nahrungsquelle ist in Form von Fischen unter Wasser, weswegen er sich immer wieder unter die Wasseroberfläche stürzt. Da er anschließend pitschnass wieder auftaucht, muss er sein Gefieder nun erst einmal trocknen, wozu er sich in die Sonne stellt und seine Flügel ausbreitet. Da er anders wie etwa Enten kein „wasserfestes Gefieder“ hat, muss er es immer wieder trocknen, da er mit nassem Gefieder nicht fliegen kann…eine regelrechte Sisyphos-Arbeit. Diese witzige Prozedur kann man selbst bei dem kurzen Anhinga-Hike dutzende Male beobachten.
An der Mitte des Trails kommt man an einer besonders weitläufigen Wasserfläche an, die bedeckt von Seerosenblättern vor Leben nur so sprüht. Ganz egal, wo man hinschaut…überall ist Bewegung im Wasser. Alligatoren, unzählige Fische, Schildkröten, Vögel, Libellen…die Tierwelt, die sich hier wie selbstverständlich um die faszinierten Touristen herumbewegt, ist kaum in Worte zu fassen. Die Everglades sprühen nur so vor Leben.
Der Trail selbst war nach ungefähr einer Stunde geschafft und war jede investierte Minute wert. Wer wenig Zeit hat, bekommt einen perfekten Einblick in eine nicht für möglich gehaltene lebhafte Sumpflandschaft. Selbst wenn man nur einen halben Tag Zeit hat, lohnt sich dieser Ausflug!
Für uns hieß es an der Stelle auch tatsächlich schon wieder Abschied vom National Park nehmen und weiter in Richtung Tamiami-Trail, da unser Abendziel in der Nähe von Fort Myers lag. Die folgenden beiden Punkte lassen sich aber auch problemlos von Miami aus mit dem Auto abhaken.
Die obligatorische Airboat-Tour: Everglades Safari Park
Eintritt: 28 Dollar
Die Airboat-Touren in der sensiblen Sumpflandschaft der Everglades sind umstritten und wer sich im Internet umhört, stößt auf zahlreiche lebhafte Diskussionen zu dem Thema. Die lärmenden Airboats verdanken ihren Namen ihrem Antrieb in Form eines großen Propellors am Heck. Der sorgt dafür, dass – anders als bei normalen Booten und Schiffen – es verhältnismäßig wenig Kontakt zur Unterwasserwelt gibt. In Florida werden Meeres- und Flussbewohner vor allem durch Boots- und Schiffschrauben verletzt oder getötet und nicht durch Airboats.

Ein Blick auf die Technik der Airboats. Der lärmende Antrieb sitzt vollständig über der Wasseroberfläche.
Auch die Pflanzenwelt wird durch das beinahe über der Wasserfläche schwebende Gefährt zumindest vorsichtiger behandelt, als bei handelsüblichen Wasserfahrzeugen. Nichtsdestotrotz stören die Airboats sicherlich dennoch das Ökosystem, denn sie durchflügen die Everglades zu hunderten, wenn nicht tausenden jeden Tag. Gleichzeitig bringen sie auch viele Touristen tief in die Everglades und helfen dabei, dass Menschen die einzigartige Landschaft besser verstehen und sensibler werden. Im Everglades National Park selbst sind Airboat-Touren übrigens verboten.
Der Everglades Safari Park am Highway 41 war weniger eine bewusste Wahl, als das er in unserem Fall einfach günstig auf dem Weg lag und damit warb, dass er vom nahen Everglades National Park autorisiert war. In wie fern das ein wirkliches Pro-Argument für den Anbieter ist, können wir an dieser Stelle leider nicht beurteilen. Rund 10 Prozent des Eintritts gehen zumindest an den Everglades National Park. Der Kostenpunkt belief sich in unserem Fall auf 28 Dollar/Erwachsenen (Kinder: 15 Dollar, unter 5 Jahren: Eintritt frei).
Trotz viel Betrieb auf dem Parkplatz direkt am Highway bekamen wir Plätze auf der nächstmöglichen Tour, die auch kurz darauf boardete. Ohrenstöpsel wurden gratis verteilt. Unser Tourguide stellte sich vor, warf dann zügig die Maschine an und in moderatem Tempo ging es einen grünen Kanal an einer wunderschönen Wildnis entlang.
Der Airboat-Kick kam dann aber erst, als wir ins weitläufigere Marschland vorstießen, also in die in ihrer Weite einfach unglaubliche Sumpf- und Wiesenlandschaft. Mit Aufheulen des Propellors beschleunigte unser Gefährt und begann beinahe über die Wasserfläche zu schweben. Unser Guide bewegte sich dabei auf einer weitgehend freien Wasserstraße und vermied Kontakt zur Flussvegetation. Besonders die weitläufigen Kurvenfahrten sind mit einem kaum beschreibbaren Drift-Gefühl höchst spektakulär und machen einen Riesenspaß.
Das lärmende Vorpreschen in die Wildnis blieb aber zum Glück keine reine Spaßfahrt, sondern wurde auch noch in diversen Pausen mit informativem Inhalt gefüllt. Unser Guide war ein erfahrener Floridianer mit beeindruckendem Wissen über Geschichte, Flora und Fauna, um deren Schutz er durchaus bemüht schien.
Natürlich half er auch dabei mit, Wildlife-Sichtungen möglich zu machen. Interessant war jedoch, dass sich zumindest Alligatoren und Schildkröten überhaupt nicht von dem Lärm stören ließen. Es wirkte so, als hätten sie sich vollkommen an die sporadisch vorbeifahrenden Airboats gewöhnt.
Die Tour dauerte rund 40 Minuten und im Anschluss wurde noch eine Alligator-Show angeboten. Die Wartezeit kann man mit einem Spaziergang über die sehr schöne Anlage des Parks überbrücken, wo auch schon mal ein Alligator mitten auf dem Weg liegen kann.

Weg-Kreuzung mit Nervenkitzel…
Leider befanden sich auch einige Tiere entlang der Wege in Käfigen. Damit und vor allem mit der anschließenden Show sammelte der Everglades Safari Park bei uns gewaltige Minuspunkte, da hier ein Tierpfleger in einer abgesperrten Arena Kunststücke mit drei Alligatoren vorführte. Der respektvolle Umgang und das vorsichtige Herantasten an die Tiere während der Bootstour wurde hier zugunsten einer Zirkus-Show mit Füßen getreten. Man hatte zwar nicht den Eindruck, dass die Alligatoren gequält werden oder Dinge widerwillig tun, aber nach den Tieren in freier Wildbahn, fühlte sich dieser Moment doch fast entwürdigend an. Die Möglichkeit, Fotos mit einem Baby-Alligator mit zugebundener Schnauze zu machen, lehnten wir zu guter bzw. schlechterletzt dann auch ab.
Leider zieht sich diese Praxis durch fast alle Airboat-Anbieter, die ihren Kunden auch im Falle ausbleibender Alligator-Sichtungen das Erlebnis bieten wollen. Wenn jemand von euch einen Anbieter kennt, der ohne diese Spezial-Vorstellungen auskommt, lasst es uns gerne wissen und wir werden an dieser Stelle eine Empfehlung platzieren!
Den Rest des Tages wollten wir nun in jedem Fall ohne geführte Touren verbringen und noch ein wenig tiefer in die Natur vorstoßen…
Allein durch die Sümpfe: Loop Road durch’s Big Cypress National Preserve
Im Everglades Nationalpark konnten im Schutz eines Holzsteges durch die Sumpflandschaft wandern, im Everglades Safari Park düsten wir via Airboat durch die unwirkliche Weite und ihre beeindruckenden Bewohner. Aber erst die Loop Road durch das Big Cypress National Preserve entführte uns dann wirklich hautnah und ungefiltert in die Wildnis der Everglades.
Der etwa 24 Meilen lange Loop Drive wird schnell nach Abknicken vom Highway 41 (Tamiami Trail) zur waschechten Dirt Road, die am Ende wieder auf dem asphaltierten Highway ankommt, den sie zu Beginn verlassen hat. Dirt Roads dürfen eigentlich nicht mit Rental Cars befahren werden, man ist also auf eigenes Risiko im weitläufigen Alligatorland unterwegs.

Aus Drohnen-Sicht offenbart sich erst die unendliche Weite des Big Cypress National Preserve.
Dementsprechend wird die Versicherung nicht greifen. Wer sich jetzt nicht sicher ist, ob er den Ausflug in die Wildnis von Florida mit seinem Rental Car wagen soll, dem sei gesagt, dass die Strecke wirklich ein „easy ride“ ist und auch für Nicht-Geländewägen kein Problem darstellen sollte. Auch ist relativ viel Verkehr auf der Dirt Road unterwegs. Ihr dürftet also nicht tagelang in der Wildnis festhängen. Wenn was passiert, müsst ihr aber natürlich trotzdem zahlen.
Anyway, wer das Risiko eingeht, wird mit einer faszinierenden Tour in die Sümpfe belohnt, bei der ihr mit großer Sicherheit auch auf Wildlife stoßen solltet. Beobachtet genau die Wasserflächen, die immer wieder am Straßenrand auftauchen. Wir hielten an einer Stelle und zählten deutlich über 5 Alligatoren. Und das ganz ohne Sicherheitszaun und erhöhte Stegkonstruktionen. Ihr befindet euch quasi auf Augenhöhe mit den faszinierenden Tieren.
Als wir unsere Kamera an besagter Stelle mit einem Ministativ in Bodennähe aufstellten, erregten wir das Interesse der generell eher ruhigen Echsen. Eine von ihnen visierte uns an und kam dann ganz ohne Angst auf uns und das seltsame Objekt, welches wir am Rand der Wasserfläche positioniert hatten, zugeschwommen. Als uns nur noch rund ein Meter trennte, brachten wir die Kamera in Sicherheit und die Echse verlor auch prompt das Interesse.
Derartige ungefilterte und einzigartige Momente erlebt man auf abgelegenen Dirt Roads sicherlich eher als auf dicht bevölkerten Nationalpark-Pfaden. Diese Begegnung mit einem Kamera-interessierten Alligator kann uns jedenfalls niemand mehr nehmen. An zahlreichen weiteren Stellen der mitten durch den Sumpfwald führenden Strecke waren die beeindruckenden Echsen zu beobachten, ebenso wie Schildkröten und die vielfältige Vogelwelt.
Nach gut 1,5 Stunden mit mehreren Stopps hatten wir die Loop Road beendet und würden sie jederzeit weiterempfehlen. Sie ist kostenlos, easy zu fahren und hilft mit ihrer Abgeschiedenheit, dieses gigantische Sumpflandschaft besser zu verstehen und greifbarer zu machen.
Natürlich ist es nach einem Tag unmöglich, die Everglades als ganzes zu erfassen, aber wir haben mit unserem Tag in dem gigantischen Grasfluss zumindest eine einigermaßen fundierte und abwechslungsreiche erste Vorstellung von diesem beeindruckenden Naturwunder erhalten. Und wir wurden mal wieder so angefixt, dass es vermutlich nicht unser letzter Everglades-Aufenthalt war… 😉
Gespannt sind wir an dieser Stelle natürlich auf eure Erfahrungen! Wie habt ihr die Everglades erlebt? Was sind eure Tipps? Was sind eure No Gos?